Die ,,Gesellschaft der Niederländter“ ist eine Vereinigung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Geselligkeit im Freundeskreis mit der Ausübung künstlerischer Tätigkeiten zu verbinden. Sie wurde vor über 150 Jahren von dem Reiteroffizier und Kunstmaler Ludwig von Nagel in Bayreuth gegründet. Wie damals viele ähnliche Vereinigungen im Bürgertum der Spätromantik suchte diese Gesellschaft ein Motto: Sie fand es in den Künstlergilden des frühbarocken Antwerpen und nannte sich deshalb ,,Die Niederländter“. Etwa 440 Mitglieder in 20 Gruppierungen, den ,,Societäten“, hat diese Gesellschaft heute mit dem Schwerpunkt in Bayern und ,,Ablegern“ in der Pfalz und in Bonn; bayerische Liberalität und Lebensfreude prägen ihr Selbstverständnis. (Literatur auch unter www,thilo-mangold.de, https://de.wikipedia.org/wiki/Niederlandt)
Meist zweimal im Monat treffen sich die Mitglieder in ihrem urigen ausgestalteten Versammlungsraum, dem ,,Lokälyn“, um zu dichten, zu malen, zu musizieren - und um die Geselligkeit zu pflegen. ,,Froh Gemüt, geschickte Hand!“ lautet ihr Motto. Wichtig dabei ist, dass sich jeder in irgendeiner Form einbringt - bloße Zuhörer und Claqueure sind nicht gefragt; im Bewusstsein, dass die ausübenden Künstler Liebhaber sind, keine Profis, kann jeder gegebenenfalls auf die Nachsicht der Freunde bauen. Unbeschwert sind diese Aktivitäten, da das ,,Lokälyn“ als Refugium aus dem Alltagsstress verstanden wird: Titel und Würden werden mit dem Sakko an der Garderobe abgelegt, Politik und Religion bleiben draußen; jeder hat seinen ,,niederländter“ Namen, die Anrede bildet ein freundschaftliches ,,Du“.
Höhepunkt im Jahreslauf der Niederländter Societäten ist das Treffen Ende Mai im festlich geschmückten Städtchen Pappenheim. Eine lange Tradition hat auch das familiäre Weinfest Anfang September in Landau in der Pfalz.
In der Romantik war es im Kreise der Bürger weit verbreitet, sich zu »Ritterbünden« zusammenzuschließen. So partizipierte Goethe 1771 an der Wetzlarer Rittertafel, Ludwig Schwanthaler gründete 1824 in München das Ritterbündnis »Zum Einhorn«. Solche Vereinigungen pflegten die Geselligkeit in irrealem Rahmen und kultivierten Illusionen und Spieltrieb.
Es war im Jahre 1868, als der Reiteroffizier und Kunstmaler Ludwig von Nagel in Bayreuth die »Schwaabengesellschaft« als seinen Freundeskreis ins Leben rief. Den Namen entlehnte er von den Wirtsleuten Schwaab, in deren Gaststätte man regelmäßig zusammenkam. In 14 gereimten Paragraphen formulierte von Nagel Statuten, die der Pflege von Freundschaft und Humor dienten.
Als bei den »Schwaaben« der Ton zu rauh und die Unterhaltung allzu gepfeffert wurde, zogen sich von Nagel und seine engeren Freunde zurück, um auf gepflegterer Ebene einen neuen Bund ins Leben zu rufen. Von Nagel war nicht nur Offizier, sondern auch ein begabter Kunstmaler. Das brachte ihn auf den Gedanken, zeichnerisch veranlagte Leute in einer speziellen Vereinigung zusammenzubringen. Der Zufall hatte ihm eine Geschichte der alten holländischen Meister in die Hände gespielt. Und so gaben die Mitglieder der St. Lukas-Gilde in Antwerpen der neuen Gesellschaft den Namen: Die Niederländter.
Getreu seiner Zeit wählte von Nagel für seine Gesellschaft eine irreale Umgebung, im Gewande eines fiktiven Frühbarock. Sie bedient sich einer Sprache, die der des Simplizissimus entlehnt ist und zählt die Zeit nach Jahrtausenden.
Im »Losament«, dem Ort der Zusammenkünfte, wird aus dem gestreßten Manager ein »Mynheer«, der seines Alltagshabitus entkleidet und mit einem »Wämslyn« angetan wird, das der Tracht der Altniederländer nachempfunden ist. Weltliche Titel und Namen spielen im Niederlandt keine Rolle, die Anrede bildet ein besonderer niederländtischer Name mit einem vorangestellten »van« und ein freundschaftliches »Du«.
Bei den »Wachten«, »Kneipen« oder »Fahrten«, wie die regelmäßigen Zusammenkünfte genannt werden, herrscht eine gar gestrenge Ordnung. Sie ist in einem eigenen »Kodex« niedergelegt und wird von einer ganzen Reihe von »Ämtern« durchgeführt und überwacht. Diese Regelungen strukturieren die Zusammenkünfte und sie bieten den stets willkommenen Anlaß, sich an ihnen augenzwinkernd zu reiben. Themen aus der Welt des Alltags sind verpönt und Zuwiderhandlungen gegen den Kodex werden durch die niederländtische Gerichtsbarkeit sofort geahndet.
Willkommen sind Beiträge aller Art, sei es in Wort oder Schrift, als Bild oder Musik. Als Anstoß und Anregung wird jeden Monat ein Thema gestellt, das in beliebiger Form bearbeitet werden soll (aber nicht muß!). Die »Aufgablösungen« sind deshalb das Salz in der Suppe der Wachten. Auf Perfektion kommt es dabei nicht so sehr an wie auf Witz, Spontaneität und persönliches Engagement. Improvisation und Dilettantentum gehören zum Niederlandt ebenso wie die sprichwörtliche "niederländtische Schlamperei". Aber auch wer sich im Reich der Musen nicht ganz zu Hause fühlt, findet im Rahmen der niederländtischen Ämter immer die Möglichkeit, zum Gelingen der Zusammenkünfte beizutragen und die Geselligkeit stilgerecht zu fördern.
Freilich: Das Niederlandt ist eine Herrengesellschaft. Damen sind bei den Treffen nicht zugelassen. Niederlandt lebt von der Toleranz der »Mynfrauen«, die auf ihre bessere Hälfte am Freitag- oder Samstagabend verzichten und dennoch am Niederländterleben intensiv anteilnehmen. Für diese Toleranz dankt Niederlandt durch die »Mynfrauenwacht«, die einmal im Jahr(tausend) in besonders festlichem Rahmen begangen wird.
Als von Nagel unter dem niederländtischen Namen Adrian van Os vor 145 »Jahrtausenden« seinen Bund gründete, hat er wohl kaum geahnt, welche Verbreitung seine Idee erfahren würde. Mynheers, die dem ersten, von van Os gegründeten »Malkasten« angehörten, gründeten alsbald neue Sozietäten, wenn sie versetzt oder durch sonstige Lebensumstände an einen anderen Ort verschlagen wurden. Ausgehend von Bayreuth und Würzburg erfuhr Niederlandt hierdurch vor allem in Bayern und den damals zu Bayern gehörenden Gebieten eine weite Verbreitung. Heute gibt es 20 Sozietäten mit etwa 440 aktiven Mitgliedern; in schöner Unregelmäßigkeit sorgt der »Postreutter Allniederlandts« für den Austausch von Nachrichten und die Verbreitung besonders gelungener Aufgablösungen.
Höhepunkt des Jahres ist in den letzten Maitagen das Treffen aller Niederländter zur »Großen Weltumsegelung« im romantischen Städtchen Pappenheim an der Altmühl.
Nicht durch einen Antrag, und nicht durch nur einen Beitrag! Wenn Sie das Motto »Froh Gemüt, geschickte Hand!« anspricht, wenn Sie sich unverbindlich informieren möchten, dann lassen Sie sich doch einmal von einem Mynheern zu einer der Wachten einladen. Sie nehmen als »Gästlyn« am Leben der Sozietät teil, sie machen sich allmählich mit den Gebräuchen und Gepflogenheiten vertraut.
Wenn Sie eines Tages das Gefühl verspüren, »dazu zu gehören«, dann ist es soweit: Dann kann das Zeremoniell der niederländter »Taufe« anheben. An die Stelle des förmlichen »Sie« tritt das freundschaftliche »Du«. Mit Ihrem neuen Niederländer Namen, eingekleidet mit dem Wämslyn, erhalten Sie einen »Reis´ pass«, der Sie allen Sozietäten gegenüber als echten Mynherrn ausweist.